Die Kugelsternhaufen des Sagittarius-Dwarf



Die Sagittarius-Zwergalaxie wurde erst 1994 entdeckt. Unter den sphäroiden Zwergalaxien ist es durchaus ein größeres Exemplar. Die Masse wird auf etwa 1 Milliarde Sonnenmassen geschätzt. Der dichteste Teil der Sagittarius-Zwerggalaxie hat einen Durchmesser von etwa 10.000 Lichtjahren und nimmt entsprechend am Himmel ein Gebiet von über 8 Grad Durchmesser ein. Dieser Teil entspricht einer typischen elliptischen Zwerggalaxie, allerdings sind durch die enormen Gezeitenkräfte viele Mitglieder schon aus dem Kern herausgelöst und verteilen sich in einem langen Band entlang des Orbits der Galaxie. Obwohl dieser Auflösungsprozess sowohl durch numerische Berechnungen als auch durch direkte Beobachtung bestätigt ist, gehen einige Forscher davon aus, dass der Auflösungsprozess weniger schnell voranschreitet als die Rechnungen vorhersagen.
Der Kern der Galaxie soll der große Kugelsternhaufen M54 sein. Neben M54 gibt es noch einige weitere Kugelsternhaufen die aufgrund ihrer Metallizität dem Sagittarius-Dwarf zugeschrieben werden.
dagitdwarfgc.gif

Die Gezeitenkräfte haben die Sterne des Sagittarius-Dwarf auf einem Sternstrom verteilt. Es gibt da Ähnlichkeiten mit den Meteorströmen und den Bahnen der Mutterkometen. Leider entzieht sich der Sternstrom des Sagittarius-Dwarf der direkten Beobachtung. Visuell unterscheiden sich diese Sterne nicht von schwachen Vordergrundsternen unserer eignen Galaxie. Die Kugelsternhaufen des Sagittarius-Dwarf sollten sich jedoch ebenfalls auf dem Sternstrom befinden. In der folgenden Grafik wurden einfach mal die galaktischen Breiten der verdächtigen Kugelhaufen in eine maßstabsgerechte Zeichnung eingetragen. Grün sind die sicheren Kandidaten, rot sind mutmaßliche Kandidaten.
saggclage3.gif

Man würde eine Verteilung der Kugelsternhaufen entlang einer elliptischen Bahn vermuten. Ähnliches kennen wir von der Beobachtung ähnlicher Sternströme in anderen Galaxien. Tatsächlich kann man grob eine passende Bahn-Ellipse vermuten:
saggclage3anni.gif

Aus der Grafik lassen sich interessante Schlüsse ziehen:
-Palomar-12 weicht deutlich von der Ellipse ab, was ihren Kandidatenstatus zweifelhaft erscheinen läßt.
-Bei fast allen anderen Kugelsternhaufen gibt es Entfernungsunsicherheiten im Bereich von etwa +-10%, was aber als normal angesehen werden kann.
-Die Bahn des Sternstroms scheint ungewöhnlich weitläufig zu sein. Sternströme anderer Galaxien sind meist besser an die Hostgalaxie angeschmiegt.

So wie in dieser künstlerischen Zeichnung sieht der Sagittariusstrom nicht aus
sagittastrom2.jpg

Aber vielleicht so wie auf diesem Bild von Robert Pölzl das einen Sternstrom bei NGC 5907 zeigt.
ngc5907rp.jpg







Der Versuch alle Kugelhaufen des Sagittarius-Dwarf zu fotografieren, wurde Mitte 2011 gestartet. Bei Terzan-7 und Terzan-8 konnte auf 2 Bilder von 2010 zurückgegriffen werden, die in Australien mit einem 130mm f/5 Newton und einer DSI-3 entstanden sind.
5terz7a8b.jpg 5terz8a8b.jpg

Der Horizontnahe M54 ist mit 7,6mag und 9 Bogenminuten Durchmesser der größte und hellste Kugelsternhaufen der Zwerggalaxie. Er könnte der ehemalige Kern gewesen sein. Wie die Messiernummer vermuten läßt, ist er im 13 Zoll Dobson visuell ein einfaches Objekt. Trotzdem waren wegen der Horizontnähe Einzelsterne nur mit Mühe zu erahnen.
6ds27m54f.jpg

Der unscheinbare Arp2 ist wie der auffällige M54 wegen seiner Horizontnähe sehr seeinganfällig. Ein schönes Foto kann man da kaum zustande bringen. Beim Vergleich mit dem POSS ist er aber gut wiederzufinden.
6arp2ir26.jpg 6arp2poss26.jpg

Am 2.8.11 war das Seeing recht gut und so kamen trotz Horizontnähe Whiting1 und Palomar 12 auf die Zielliste. Die Bildbearbeitung ist recht hart um gegen den Stadthimmel die maximale Grenzgröße herauszukitzeln.
8whit1l1b.jpg 8whit1l1bposs.jpg

Im 13 Zoll Dobson erschien Palomar-12 als kleine flächige Aufhellung nördlich von 3 Sternen. Er war in der Beobachtungsnacht Ende August 2011 nicht leicht zu identifizieren, aber doch sicher zu sehen.
8pal12l1b.jpg 8pal12l1bposs.jpg


Palomar-2 steht in hoher Deklination im Fuhrmann. Im 13 Zoll Dobson war an der richtigen Stelle schon mit 60-fach sofort eine verdächtige Aufhellung zu sehen. Mit 190-fach ist Palomar 2 ein gut sichtbarer diffuser Fleck von gleichmäßiger Helligkeit ohne besondere Konzentration. Ein Foto entstand am 22.11.2011. Auf dem Bild erscheint er etwas länglich in Nord-Südlicher Richtung.
11pal2l22ok.jpg





Die 3 Frühjahrskugelsternhaufen NGC4147, NGC5053 und NGC5634 wurden im Mai 2013 beobachtet und fotografiert.
Zuerst wurde NGC4147 eingestellt. Im 13 Zoll Dobson war er sofort als Kugelsternhaufen erkennbar. Er besitzt einen hohen Konzentrationsgrad mit markant hellen Innenbereich und schwachen Rändern. Er schien leicht elongiert in Nord-Südrichtung. Bei 250x konnte er angelöst aber nicht komplett aufgelöst werden. Südlich war ein etwas hellerer Einzelstern zu sehen. Auf den Fotos fand sich unweit von NGC4147 eine Kantengalaxie mit Integralform. Sie war visuell übersehen worden und lohnt eine Nachbeobachtung. UGC7170 wird zu den "superthin galaxies" gezählt: http://www.klima-luft.de/steinicke/Artikel/sg/sg.htm



Die leicht elliptische Form von NGC 4147 läßt sich in der Animation gut erkennen.


Nicht nur in Chemie und Herkunft eng verwandt ist NGC5634. Dieser Kugelsternhaufen am Rand der Jungfrau gleicht 
NGC4147 auch optisch. Er ist ähnlich kompakt und sofort als GC zu erkennen. Allerdings war er bei 250x am 13 Zoll Dobson deutlich leichter aufzulösen. Direkt neben dem Kugelsternhaufen steht ein heller Stern der die Beobachtung etwas behindert. Obwohl auch NGC5634 elliptisch ist, konnte dies wegen der Störung des Sterns visuell nicht erkannt werden.





Eine ganz andere Natur als NGC5634 besitzt NGC5053. Dieser Kugelsternhaufen ist leicht zu übersehen. Er ist nur ein flächiger unkonzentrierter Glow. Bei 250x war ein Dutzend Sterne sichtbar. Der Lichtschimmer war deutlich elongiert auf der Ost-Westachse. Das Achsverhältnis lag bei etwa 4:3.



Die gestreute Sternverteilung macht NGC5053 zu einem interessanten Spielobjekt für photomerische Experimente. Ein Farben-Helligkeitsdiagramm ist mit einer Schwarzweißkamera nicht möglich, doch ein Helligkeitsdiagramm ist mit der Software Muniwin leicht zu erstellen.
 


Visuell erschienen die 12 hellsten Sterne etwa gleich hell, doch die genaue Messung zeigt, dass Sie um +-0,66 mag schwanken. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass die hellsten Sterne gleich sind, da sie das gleiche Alter und die gleiche Masse besitzen. Entweder ist die Lebenszeit eine roten Überriesen doch so lang, dass sich unterschiedlich massereiche Exemplare entwickeln können oder die Überriesen sind instabil und schwanken um mehr als eine Magnitude.   






In einigen Arbeiten wird die Zugehörigkeit von Whiting-1 zum Sagittariusstrom angezweifelt. Daher wurde nach dem Rat von Peter Riepe nochmal ein Modell ohne diesen Kugelsternhaufen angefertigt. Ohne Whiting 1 wird die Ellipse deutlich kompakter. Berkeley29 tanzt dann jedoch aus der Reihe. Berkeley29 ist jedoch ohnehin ein etwas seltsames Objekt. Er wird als offener Haufen klassifiziert. Um ihn chemisch dem Sagittarius-Dwarf zuzuschlagen muss er jedoch schon ziemlich alt sein.
( cdsads.u-strasbg.fr/cgi-bin/nph-bib_query?1994A%26AS..108..151K&db_key=AST&nosetcookie=1
simbad.u-strasbg.fr/simbad/sim-id?Ident=Berkeley29&NbIdent=1&Radius=2&Radius.unit=arcmin&submit=submit+id

saggclageowb.gif

Aus diesem einfachen Modell kann man schon mehrere Schlüsse ziehen:
1) Das Zentrum der Milchstraße steht in einem der Brennpunkte. Das spricht dafür, dass die Bahnneigung gegen die Milchstraßenebene fast 90 Grad beträgt
2) Whiting-1 und Berkeley-29 passen nicht zur Ellipse und gehören möglicherweise nicht zum Sagittariusstrom.
3) Der Auflösungsprozess schreitet weniger schnell voran als einige Rechnungen vorhersagen. Dies könnte daran liegen, das die Zwerggalaxie die Milchstraßenebene weit außerhalb im Halo schneidet.



Berkeley 29 der einzige bekannte offene Sternhaufen der zum Sagittariusdwarf gehört. Er steht außerhalb der Milchstraßenebene und umkreist das galaktische Zentrum in einer langgestreckten Ellipse. Im 13 Zoll Dobson war bei 190-fach ein flacher unkonzentrierter Nebel um 3 Sterne zu sehen.
11berkeley29l1.jpg berkeley29zeich.gif





Eine aktuelle Arbeit von Sergey Koposov et al. unter http://www.universetoday.com/91510/sagittarius-dwarf-galaxy-a-beast-with-four-tails/#more-91510 hat 13 Millonen Sterne des Sloan Digital Sky Survey untersucht und dabei die Bahn des Sagittariustroms herausgearbeitet. Sie passt sehr gut zu dem eigenen aus der Verteilung der Kugelsternhaufen abgeleiteten Modell. Die geschätzte Ellipse findet sich wieder, sofern man den schon vorher umstrittenen Whitig1 ignoriert.
sagkopos1.gif

Es gibt dazu auch ein tolles Youtube-Video


Im Video von Koposov ist der Abstand Sonne-Milchstraßenzentrum etwas kleiner und die Galaxie dadurch größer als in meinem eigenen Modell

Auf der folgenden Grafik kann man gut die Bahnneigung von 90 Grad gegen die Milchstraßenebene erkennen, die auch schon im einfachen Modell mit den Kugelsternhaufen vermutet wurde.
sagkopos2.jpg

Auch beim Modell von Koposov fällt der chemisch zum Sagittariusdwarf gezählte Berkeley29 aus der Bahn. Ein weiteres Bild des rätselhaften Offenen Haufens entstand am 22.11.2011.
11berkl22all4.jpg

Der Versuch die Entfernung mit eigenen Mitteln zu bestimmen ist mit diesem Bild etwas weiter vorangekommen. Beim Vergleich der zwei Aufnahmen vom 1.11. und 21.11.2011 fanden sich schon mit bescheidenen 6 Zoll einige Veränderliche Sterne. Um Perioden zu bestimmen sind die beiden Bilder zu wenig und der zeitliche Abstand ist zu groß. Das aber schon mit bescheidenen 6 Zoll und einer DSI-3 gleich beim ersten Versuch vier vielversprechende Kandidaten zu finden sind ist ermutigend. Zur Identifizierung wurde die halbautomatische Aufspürfunktion des Programms Muniwin verwendet.
berkkand1.gif

Der obere Stern ist relativ schwach, hebt sich aber durch seine große Amplitude von 1,5mag deutlich ab. Die anderen 3 Kandidaten haben nur kleine Amplituden von 0,3mag, sind aber durch das bessere SNR trotzdem signifikant.
berkkandall.gif

Bei der Ausmessung des Umfeldes fand sich ein weiterer veränderlicher Stern....
kpberk4.gif

...doch bei näheren Hinsehen zeigte sich, dass nur ein Kleinplanet über den Stern gelaufen war.




Eine 2013 von David R. Law et. all. veröffentlichte Arbeit versucht den Weg umzudrehen. Während meine Arbeit probierte über die Kugelsternhaufen Rückschlüsse auf den Sagittariusstrom zu ziehen, belegt er anhand der Position die Zugehörigkeit chemisch verdächtige Kandidaten zu der sich auflösenden Zwerggalaxie.
davidarb1.gif sagdwakandi2.gif
Die schon voher aus chemischen Untersuchungen verdächtigen Kandidaten wurden gut bestätigt. Sie decken sich mit meiner zielliste.
sagdwakandi.gif

Die Zugehörigkeit von Palomar2 wird bei Law jedoch in Frage gestellt. Je nachdem ob alle verdächtigen GCs oder Whiting-1 und Palomar-2 entfernt werden ergeben sich 3 Ellipsen.
saggclage3b.gif saggclageowb.gif saggclage4.gif

Sollten vielleicht alle 3 Ellipsen ihre Berechtigung haben?
saggclageall.gif

Unmöglich wäre dies nicht, da die Zwerggalaxie mehrfach die Galaktische Ebene gekreuzt hat, kann sich der Sternstrom sich aufgesplittet haben. Davids Simulation scheint dies zu bestätigen
saggclagestrams.jpg



In der Beobachtungsnacht vom 26. auf den 27.8.2016 wurde auf die Fotografie verzichtet und statt dessen eine visuelle Beobachtungsnacht eingelegt. Die extrem gute Transparenz am Horizont verlockte zu einigen Objekten die eigentlich für Deutschland als unmöglich gelten. Aus der Liste der Kugelhaufen des Sagittarius-Dwarf wurde zunächst Terzan-7 probiert. Bei -34:39 Deklination war das Sternfeld erst nach einigem rumprobieren zu finden. An der richtigen Stelle war jedoch nicht richtiges zu sehen. Hin und wieder erschien ein schwacher Schimmer nahe an der Einbildungsgrenze der sich mit den Licht eines schwachen Nachbarsterns mischte.

Etwas leichter erschien Terzan-8. Mit -33:59 Deklination stand er ein Grad höher als Terzan-7. Grade rechtzeitig zum Meridiandurchgang wurde das Sternfeld gefunden.Gegen die Erwartung war das 8. Objekt des Terzankatalogs etwas leichter als die Nummer 7. Im Poss-I ist er etwas schwächer als Terzan-7 besitzt jedoch eine größere Fläche. Auch hier war ein schwacher Schimmer zu erahnen. Hin und wieder blinzelten schwache Sterne durch die jedoch Vordergrundobjekte sein dürften. Eine große Austrittspupille ist vorteilhaft. Ab 100x begann die Aufhellung zu verschwinden.



Auf dem POSS-Platten ist ARP-2 ähnlich schwach wie die beiden Terzans. Visuell ist er bei -30:21 Deklination jedoch deutlich leichter. Er war schon ohne genaue Kenntnis des Zielfeldes bei 100x zu erkennen. Der Abgleich mit den Sternpositionen bestätigte lediglich die Sichtung.

Der Beobachtungsplatz wurde in 30s Intervallen fotografiert. Dabei wurde mit halber Sterngeschwindigkeit nachgeführt um bei den Sternen und beim Vordergrund eine gleichzeitige Bewegung zu erzeugen.
 
Als Startrail sieht das kumulierte Video so aus:

Eine Feuerkugel um 0:02 ist gut zu identifizieren!




gauche.gif



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